Während Österreich sich günstig verschuldet hat, zahlt Deutschland viel zu viel

Die Zeiten niedriger Zinsen sind endgültig vorbei. Während sich Sparer wieder über Zinsen auf ihre Sparguthaben freuen können, kommen nun auf viele Immobilienbesitzer und den Staat höhere Kosten zu.

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Die Zinsausgaben steigen

Im Rückspiegel betrachtet hat es Deutschland verschlafen, die Jahre der Niedrig- und Negativzinsen zu nutzen, um sich günstig und teils sogar kostenlos zu verschulden. Im Frühjahr hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner bereits darauf hingewiesen, dass sich die Zinsausgaben im Bundeshaushalt deutlich erhöhen werden. Das sei Geld, das an anderer Stelle fehle. Dennoch forderte er, die Schuldenbremse weiter einzuhalten.

Im kommenden Jahr rechnet der Finanzminister nun mit 37 Milliarden Euro Kosten allein für Zinsausgaben. Das entspricht knapp 8,3 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes. Zur Veranschaulichung: Gegenüber 2021 ist das eine Verzehnfachung . Dabei sind noch nicht die sogenannten “Sondertöpfe” wie der Klima- und Transformationsfonds oder die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr mit eingerechnet.

In diesem Jahr muss der Bund mehr als 500 Milliarden Euro gemäß der eigenen Finanzplanung am Kapitalmarkt aufnehmen. Der Großteil davon ist notwendig, um auslaufende Anleihen neu zu ersetzen. Dazu muss man wissen, dass Anleihen eine Fälligkeit haben, die bei der Emission festgelegt ist. Doch anders als noch vor 3 oder 4 Jahren, verlangt der Kapitalmarkt mittlerweile höhere Zinsen. So steht die zehnjährige Bundesanleihe mittlerweile bei mehr als 2,8 Prozent . Anleihen mit einer Laufzeit von 2 Jahren sind sogar schon bei über 3 Prozent . Eine erhebliche Mehrbelastung also, die im Endeffekt der Bund zahlen muss.

Österreich hat es richtig gemacht

Daher stellt sich die Frage, wieso Deutschland nicht ähnlich gehandelt hat wie Österreich. 16 Prozent der österreichischen Schulden haben eine Fälligkeit von 25 Jahren oder mehr. 8 Prozent sogar eine Fälligkeit von mehr als 30 Jahren . Ein genialer Schachzug war allerdings, als unsere Nachbarn im Jahr 2017 eine 100-jährige Anleihe emittierten (siehe Abbildung). Der Zinskupon lag damals bei 2,1 Prozent . Zwei Jahre später hat man sogar noch einmal aufgestockt. Die Emissionsrendite belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 1,17 Prozent . Ein genialer Schachzug der Österreicher. Der österreichische Finanzminister sollte dafür eigentlich das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Zinsen deutlich gestiegen

Blickt man über den großen Teich, so scheint sich der Markt mittlerweile langsam auf das Szenario einzustellen, dass die Zinsen länger auf hohem Niveau bleiben werden. 5 Prozent gibt es mittlerweile auf eine US-Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren. Wer das noch vor wenigen Jahren prognostiziert hätte, den hätte man für verrückt erklärt. Die Zeit der hohen Zinsen sei endgültig vorbei, hieß es noch 2021. Doch zwei Jahre später sieht die Welt ganz anders aus. Sparer und Anleger haben sich zunehmend an “Higher for longer” gewöhnt.

Einer der Hauptgründe für die stark steigenden Zinsen war vor allem die hohe Inflation. Die amerikanische Notenbank musste handeln und hat die Zinsen im Rekordtempo auf 5 Prozent angehoben. Gleichzeitig hat die Fed die strengste geldpolitische Straffungskampagne seit Jahrzehnten durchgeführt (Quantitative Tightening). Doch erstaunlicherweise zeigt sich die amerikanische Wirtschaft nach wie vor robust. Trotz der hohen Zinsen ist das BIP der USA im Sommerquartal um 4,9 Prozent gewachsen – die größte Steigerungsrate seit knapp 2 Jahren . An den Kapitalmärkten hat der rasante Zinsanstieg jedoch tiefe Narben hinterlassen.

Einbruch am Anleihemarkt

Was wir gerade am Anleihemarkt erleben, ist ein historischer Einbruch . Über Jahre hinweg haben die Notenbanken die Zinsen immer weiter gesenkt und durch Quantitative Easing (lockere Geldpolitik) gigantische Summen in den Markt gepumpt. Dadurch hat sich am Anleihemarkt eine gigantische Blase gebildet, die nun die Luft ablässt. Besonders deutlich erkennt man das am Chartverlauf des TLT-ETFs (siehe Abbildung). Dieser beinhaltet langlaufende US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von mehr als 20 Jahren . Mitte 2020 hatte der ETF ein Hoch bei rund 170 Dollar erreicht. Danach ging es steil bergab bis auf rund 85 Dollar . Ein Kursverlust von sage und schreibe 50 Prozent . Und das auf vermeintlich sicheren US-Staatsanleihen, die eigentlich so gut wie Geld sind und zudem als risikolos gelten.

Die günstigen Jahre sind vorbei

Man sieht, dass Deutschland durch das krampfhafte Festhalten an der Schwarzen Null es schlicht und ergreifend verschlafen hat, sich langfristig günstig zu verschulden. Spätestens mit den Negativzinsen hätte sich Deutschland mit Schulden vollsaugen müssen, bis zum Maximum wie eine Zecke mit Blut. Wir wären fürs Schuldenmachen sogar bezahlt worden. Damit hätte das Land von Grund auf erneuert werden können mit einer modernen und digitalen Infrastruktur. Endlich hätte man den über Jahrzehnte entstandenen Renovierungsstau kostengünstig angehen können. Wir hätten dann neue und renovierte Schulen und Universitäten, eine sinnvolle Familienförderung, um die negative Demographie zu stoppen, Investments in eine digitale Zukunft mit einem europäischen Silicon Valley, einen Staatsfonds, um die Bürger in Zukunft an Wohlstandseffekten partizipieren zu lassen und vieles mehr.

Jetzt ist der Zug leider abgefahren – ohne uns. Die Zinskosten werden in den kommenden Jahren eine deutliche Belastung für den Bund darstellen. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass mit Blick auf die enormen Schuldenstände, die man dank Lockdown-Politik, Ukraine-Krieg und historischer Fehlentscheidungen angehäuft hat, die Zinsen gar nicht lange auf diesem Niveau bleiben können. Um es etwas überspitzt auszudrücken: Hätte Deutschland die Niedrigzins-Phase genutzt, um viel Geld zu günstigen Konditionen aufzunehmen, so hätten wir nun vermutlich Autobahnen aus weißem Marmor und öffentliche Design-Toiletten.

Dieser Beitrag ist zuerst bei Focus Online erschienen.

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