Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Seit nunmehr zehn Jahren kündigen Sie einen großen Wirtschaftscrash an. Auch dem Euro räumten Sie kaum Überlebenschancen ein. Die Realität ist: Die Wirtschaft ist angeschlagen, aber eine Bauchlandung hat sie noch nicht hingelegt. Und den Euro gibt es noch immer. Wie kommt es, dass Ihre Prophezeiungen noch nicht eingetreten sind?
Marc Friedrich: Seit dieser Zeit befinden wir uns im Dauerkrisenmodus und die Politik hechelt von einer ungelösten Krise zur nächsten. Parallel dazu drucken die Notenbanken Geld als gäbe es kein Morgen, weltweit. Es ist eineinzigartiges Experiment, das die Probleme nicht lösen kann und stattdessen nur weitere Krisen hervorruft. Schon vor zehn Jahren waren die Vorzeichen, wenn man sie sehen wollte, deutlich zu erkennen. Doch das Ende eines Systems und Zyklus´ geht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess. Deswegen habe ich auch keinen Zeitpunkt für den Crash damals genannt.Jetzt aber befinden wir uns im Finale und bin mir noch sicherer als vor zehn Jahren das unser System scheitern wird.
Tatsächlich scheinen die Zeichen in den letzten Monaten auf Sturm zu stehen. Welche Rolle spielt dabei der Krieg in der Ukraine? Ist Putin an allem schuld und gäbe es ihn nicht, wäre alles in Ordnung?
Wenn man die Geschichte studiert, geht das Ende eines Geldsystems immer mit enormen wirtschaftlichen und geopolitischen Verwerfungen einher, da die Karten neu gemischt werden. Wir befinden uns in einer Übergangsphase, die dadurch geprägt ist, dass die alte Weltmacht – das sind die USA – nun langsam abtritt und neue konkurrierende Kräfte nach dem Thron streben. Dies führt zu Spannungen. Der Krieg in der Ukraine verstärkt natürlich diese Entwicklung, ist aber nicht ihr alleiniger Auslöser. Der Abgesang des Hegemons USA hatte sich auch schon vorher abgezeichnet. Und auch die Inflation war bereits vor dem Krieg weltweit stark steigend.
Trotzdem verschärft der Konflikt die Lage. Die Versorgung Deutschlands mit billigem Öl und Gas steht auf dem Spiel. Was für Folgen hätte es für den Industriestandort Deutschland, sollten wir keinen Zugriff mehr auf billiges Gas haben?
Das können wir jetzt schon deutlich sehen, wenn wir auf die Handelsbilanzüberschüsse schauen: Die sind im Mai im Vergleich zum Vorjahr um spektakuläre 70,7 % eingebrochen. Deutschlands Geschäftsmodell hat sich pulverisiert. Unsere Produktivität, unsere Wettbewerbsfähigkeit gehen den Bach runter. Das liegt nicht zuletzt an einer jahrelang betriebenen einseitigen und ideologisch verblendeten Energiepolitik, was nun einen Rattenschwanz an Problemen nach sich zieht, wie etwa den Verlust von Arbeitsplätzen, Wohlstandseinbußen, Steuererhöhungen und eine allgemeine Versorgungsunsicherheit. Und sollte es zu Blackouts kommen, dürfte es auch soziale Unruhen geben.
Bei einer Debatte im Bundestag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz verkündet, man habe die Sanktionen über viele Monate – und noch vor Ausbruch des Krieges – vorbereitet, „damit sie die Richtigen treffen, damit sie wirken.“ Wen treffen sie denn nun und inwieweit wirken sie?
Die Sanktionen treffen vor allem uns und weniger das eigentliche Ziel Russland. Und man darf nicht vergessen, dass sich über 100 Länder nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligen. Und so kommt es, dass Russland dank des Verkaufs von Öl, Gas und anderen Rohstoffen nach Indien, Brasilien, China und in zahlreiche andere Länder momentan Rekordeinnahmen verzeichnet.
Es ist ein Offenbarungseid, wenn die Bundesregierung Unternehmen empfiehlt Notstromaggregate anzuschaffen und gleichzeitig grundlastfähige Atomkraftwerke abschaltet und so die Versorgungssicherheit der Bürger auf Spiel setzt.
Lassen sich in einer derart komplexen Welt und bei derart miteinander verzahnten Volkswirtschaften die Effekte von Sanktionen und Gegensanktionen überhaupt vorherberechnen? Wovon hängt es wirklich ab, ob ein Staat in die Knie geht oder nicht?
Das vorherzuberechnen ist unmöglich, da zu viele Variablen die Möglichkeiten ins Unendliche treiben. Das kann man auch an den Sanktionen gut erkennen, die wie ein Boomerang de facto nur den Westen treffen und schädigen.
Ein Staat geht allerdings in die Knie, wenn die Bürger das Vertrauen in ihn verlieren und auf die Straße gehen. Es gibt die „3 Prozent Regel“, die besagt, dass das Ende eines Systems eingeläutet ist, wenn 3 Prozent der Bevölkerung protestieren. Eine weitere Möglichkeit, einen Staat in die Knie zu zwingen, sind Korruption und Inkompetenz der politischen Klasse oder das Eingreifen ausländischer Mächte. Aktuelles Beispiel ist Sri Lanka: Dort ist die Versorgung zusammengebrochen, die Menschen protestieren und der „Staat“ kollabiert.
Der russische Rubel wird immer stärker, die Inflationsrate ist in Russland am Sinken. In den westlichen Ländern ist das Gegenteil der Fall. Was können diese noch tun, um dem Untergang zu entgehen? Eine Flucht nach vorn in Interventionismus und Sozialismus?
Genau so ist es. Es wird eine Mischung aus Umverteilung, planwirtschaftlichem Sozialismus, finanzieller Repression und digitaler Diktatur geben.
Die Geschäftsmodelle einiger westlicher Länder wie die der VereinigtenStaaten oder Großbritanniens bestehen zu einem guten Teil darin, Geld zu drucken und zu verwalten. Inzwischen befinden sich gigantische Vermögen in den Händen einer kleinen Gruppe von Personen. Kommt daher der Drang zu diesem „Great Reset“? Und falls ja, was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Das System ist nicht mehr zu retten und dies haben wohl von einige der Protagonisten erkannt. Jetzt geht es ihnen darum, nochmals Zeit zu gewinnen, um im Hintergrund die Digitalisierung des Geldes voranzutreiben und voraussichtlich auch eine Art Sozialkredit-Programm nach dem Vorbild des kommunistischen China einzuführen.
Kann den dieser „Great Reset“ überhaupt funktionieren, wenn sich China und Russland nicht daran beteiligen? Bedingt dies vielleicht sogar eine weitere Kriegsgefahr?
Wie in meinem im letzten Buch aufgezeigt, ist in der Vergangenheit der Wechsel in ein neues Geldsystem zumeist mit kriegerischen Auseinandersetzungen einhergegangen. Aus diesem Grund sollte man sich auf dieses Worst-Case-Szenario vorbereiten – in der Hoffnung, dass es nicht eintritt.
Dieses Interview ist zuerst bei Deutsche Wirtschaftsnachrichten am 19.07.2022 erschienen.
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